Nein und Amen - Protestmarsch am 01.11.2023 in Berlin
Beginn (Andrea und Adriana):
Begrüßung, Erklärung des Ablaufs, einleitende Worte
Andrea:
Herzlich Willkommen, wir freuen uns und sind dankbar, dass ihr da seid – dankbar für die Gemeinschaft.
Wir sind dankbar für die schönen Momente, die wir immer wieder erleben dürfen – miteinander – in der Natur – in dem, was uns erfüllt und glücklich macht.
Wir sind dankbar dafür in einer Demokratie leben zu dürfen, dankbar, dass wir für das, was uns wichtig ist auf die Straße gehen können, dass wir protestieren dürfen.
Dieser Protestmarsch ist gestaltet von Christ*innen und Buddhist*innen, die sich bei der Letzten Generation engagieren – wir sind dankbar für diese Gemeinschaft und Verbundenheit über Religions-Grenzen hinweg. Wir leben aus der Hoffnung, dass Veränderung möglich ist. Die Quelle unserer Zuversicht ist Gott, die Liebe zum Leben, die uns die Kraft gibt zu handeln.
Gemeinsam wollen wir uns auf den Weg machen, denn es ist Teil unseres Glaubens deutlich zu machen, dass wir eine Mitverantwortung haben umzukehren und unsere ungerechte und ausbeuterische Lebens- und Wirtschaftsweise zu ändern.
Wir werden auf unserem Weg immer wieder innehalten und uns Gott zuwenden und bei jeder Station einen Dreischritt miteinander gehen:
1) Wir bringen unseren Schmerz und unsere Klage über den Zustand dieser Welt und das Leiden von so vielen Menschen und unseren Mitlebewesen vor die Ewige.
2) Wir machen uns bewusst, dass unser Leben in einem weiten Horizont steht, dass wir weltweit und auch mit der nicht-menschlichen Schöpfung verbunden sind.
3) Wir bitten die Heilige Geistkraft um Hoffnung für und durch unser Handeln.
Adriana: Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
die Welt, so sagen wir, das sind wir selbst. Wir erkennen uns in ihrer Verletzlichkeit, inmitten einer unbeständigen und veränderlichen Realität. Tag für Tag begegnen wir unserer eigenen Angst, unserer Verwirrung und unserer Ratlosigkeit. Doch wie können wir die Entschlossenheit zur Veränderung in uns entdecken und aktivieren? Wie können wir den Glauben an die Wirksamkeit unseres eigenen Handelns stärken und den Willen festigen, endlich anders zu handeln?
Diese Fragen treiben uns an, denn wir wissen, dass wir gegen Lähmung und Resignation ankämpfen müssen. Wir brauchen bestimmte Einstellungen, um uns selbst als Teil der Veränderung zu begreifen und gegen Zynismus sowie das Gefühl von Aussichtslosigkeit anzugehen.
Doch trotz allem, wie entsteht in uns die Zukunftslust? Wie können wir die Zukunft mit einem aufgeklärten und engagierten Blick betrachten, ohne dabei die Realitäten zu leugnen? Denn wir erkennen, dass die Klimakrise uns alle betrifft, und daher jede unserer Lebensgeschichten und Selbsterzählungen davon geprägt sind.
In diesem Kampf gegen die Klimakatastrophe geht es nicht nur um die Welt im Allgemeinen, sondern auch um uns selbst. Wir müssen uns fragen: Welches Leben werde ich geführt haben? Was habe ich getan und was habe ich versäumt? Wie werde ich mich später im Rückblick erinnern wollen?
Noch konkreter müssen wir uns fragen: Wo werde ich beim Kampf gegen die Klimakrise Teil des Problems gewesen sein, und wo habe ich Teil der Lösung sein können?
Lasst uns nicht vergessen, dass die Zukunft, die wir in der Gegenwart gestalten, unser Handeln bestimmt. Unsere Zukunftsentwürfe formen jetzt unser Handeln und unsere Entscheidungen.
Lasst uns gemeinsam handeln, um eine nachhaltige Zukunft für uns und kommende Generationen zu schaffen.
Andrea:
Ich bitte euch, mit mir gemeinsam „Meine Hoffnung und meine Freude“ zu singen, während wir zu unserer ersten Station laufen. Wir singen zunächst dreimal hier im Stehen und setzen uns dann in Bewegung:
Lied: “Meine Hoffnung und meine Freude” (Liedblatt Nr. 01)
Erster Moment des Innehaltens
wir bilden einen Kreis, dabei singen wir (Liedblatt Nr. 02):
"Komm in den Kreis,
bring dein Licht, bring dein Sein,
bring deine Liebe,
komm herein, komm herein". (Refrain des Lieds “Erde meine Mutter”, von Gila Antara)
Gong ertönt
Ruben (Ich leihe mir Worte von Lanza del Vasto, einem Schüler Gandhis, dem Begründer der interreligiösen, gewaltfreien Lebensgemeinschaft ‘Arche’):
Wir alle sind Pilger und Fremde. So lasst uns innehalten an der Kreuzung der Wege und uns dem Ewigen zuwenden. Schließen wir den Kreis und errichten einen Tempel im Wind; machen wir diesen beliebigen Ort zu einem Tempel. Denn die Zeit ist gekommen, im Geist und in der Wahrheit zu beten, überall und jederzeit.
Halten wir inne in der Zeit, schaffen wir eine Mitte in all der Finsternis um uns.
Schaffen wir eine Mitte in all dem Leiden der Schöpfung um uns,
schaffen wir eine Mitte in all der Geschäftigkeit und Ignoranz um uns.
Und seien wir der Gegenwart gegenwärtig.
Jetzt ist sie da, die Gegenwart, vor unseren Augen, in unseren Herzen.
Jetzt ist die Zeit, um zu klagen, jetzt ist die Zeit, uns einzufühlen in das große Ganze des Lebens und der Schöpfung, jetzt ist die Zeit, uns zum Handeln zu ermutigen.
Hören wir auf Gebete und Texte der religiösen Traditionen und auf Menschen, die unter den Folgen des Klimawandels leiden:
1.1. Klagen über Schmerz und Leid
Ruben: Hören wir auf die Klage über Schmerz und Leid, wie sie Ayisha Siddiqa, eine Klimaaktivistin aus Pakistan, formuliert (Jan 2023):
Eva:
“Häuser wurden überflutet, Menschen vertrieben. Bauern begehen Selbstmord, weil sie keine Hoffnung auf Zukunft mehr haben. In 60 Jahren haben wir kein derartiges Hochwasser erlebt.
Viele der Vertriebenen mussten in Zelten in Elendsvierteln unterkommen. Sie haben ihren gesamten Besitz verloren. Frauen müssen weit gehen, um frisches Wasser zu holen, Essen zu bekommen.
Auch jetzt sind immer noch so viele Menschen vertrieben. Unser Gesundheitssystem liegt in Trümmern, denn stehendes Wasser bedeutet, dass Mücken kommen, das bedeutet, dass Krankheiten kommen und dass sich Cholera ausbreitet.
Im Moment haben wir eine massive Getreideknappheit. Die Menschen haben kein Brot, keinen Reis. Es gibt Kämpfe in Lebensmittelgeschäften um das Essen.”
Charlotte (Dorothee Sölle, in Anlehnung an Psalm 130, hebräische Bibel):
Aus tiefer Not schrei ich zu dir, O. Gott, erhör mein Flehen,
Wann werden wir die Schöpfung schreien hören?
Mutter unser, dein Reich komme und
wenigstens deine Tränen sollen uns kommen.
Wie lange müssen wir weinen, ehe wir umkehren?
Wann werden wir eins mit deiner vergewaltigten Schöpfung?
Wann hören wir auf, Herren und Besitzer zu spielen
Und werden Kinder und Geschwister?
Diesen lange Weg vom Achselzucken zu den Tränen,
geh ihn mit uns, Gott,
Aus den Tränen der Schrei,
aus dem Schrei das Nein,
Aus dem Nein der Aufstand.
Lehr uns Schreien, lauter, deutlicher, sichtbarer.
Aus tiefer Not schrei ich zu dir,
O Gott, erhör mein Flehen.
Lied: O Lord, hear my prayer (Taizé), Liedblatt Nr. 03
1.2. Schauen auf das Leben im weiten Horizont
Kerstin (Charles Eisenstein, Kulturphilosoph):
Hinführung: Schauen wir auf das Leben im weiten Horizont.
Der Philosoph Charles Eisenstein sagt dazu:
Eine Gesellschaft, die Krieg gegen andere Menschen führt, wird auf Gewalt konditioniert, auch gegen die Natur Krieg führen. Eine Gesellschaft, die manche ihrer Mitglieder abwertet, wird immer auch nicht menschliche Wesen abwerten. Dementsprechend wird eine Gesellschaft, die sich der Heilung auf einer Ebene verschrieben hat, auch zur Heilung auf allen Ebenen beitragen. Jeder Akt der Heilung, wie klein auch immer, ist ein Gebet, ein Manifest, wie die Welt sein soll.
Uta (David Loy Ökodharma):
Es reicht nicht aus, die wissenschaftlichen Beweise zu akzeptieren oder zu verstehen, wie Sprache unsere Wahrnehmung auf problematische Weise organisiert. Wir müssen tiefer empfinden um tiefer verwandelt zu werden – in der Sprache des Zen, um das große kollektive Koan unserer Zeit zu lösen: Wie reagieren wir auf schreckliche Dinge, die wir der Erde und uns selbst antun? Das bedeutet, uns der verdrängten Trauer und Verzweiflung, die uns oft lähmen, zu öffnen, woraufhin sie sich in mitfühlendes Handeln verwandeln können.
Susan: Verbunden mit der Übung von Thich Nhat Hanh – die Erde berühren, um uns mit dem alles umschließenden Mitgefühl zu verbinden
Ihr, die ihr vorsätzlich und im Interesse eures eigenen Profits an der Zerstörung der Umwelt arbeitet, ihr zeigt mir, wie sehr ich all das wertschätze, was ehrlich und großzügig ist, was tief und klar durchdacht ist, was Ausdruck der Liebe für diesen Heimatplaneten und für unsere Menschlichen und nicht-menschlichen Mitgeschöpfe ist.
Darum verneige ich mich in Dankbarkeit vor euch und berühre die Erde.
Ihr bringt in mir die Leidenschaft und Liebe zum Vorschein, die ich für dieses lebensspendende Land fühle, für den Boden, die Luft, das Wasser und die Wesen, denen sie Nahrung geben und die Leidenschaft, die ich für Integrität und für echte Gemeinschaft empfinden. In der Stärke, mit der ich eurem Tun entgegenwirke, erkenne ich, wie stark meine Liebe und meine Leidenschaft sind.
Dankbar verneige ich mich vor euch und berühre die Erde.
Lied: Nach dieser Erde, wäre da keine (Kanon), Liedblatt Nr. 08
1.3. Ermutigen zum Handeln und Hoffen
Bernhard (Zitat aus dem aktuellen Mahnschreiben “Laudate Deum” von Papst Franziskus, S. 57-58):
Hinführung: Wir wollen uns im dritten Schritt ermutigen zum Handeln und Hoffen.
Papst Franziskus schreibt in seinem neuen Mahnschreiben zu Beginn dieses Monats:
Die Annahme, dass jedes künftige Problem mit neuen technischen Eingriffen gelöst werden kann, ist ein fataler Pragmatismus, der einen Schneeballeffekt hervorrufen würde. Hören wir endlich auf mit dem unverantwortlichen Spott, der dieses Thema als etwas bloß Ökologisches, „Grünes“, Romantisches darstellt, das oft von wirtschaftlichen Interessen ins Lächerliche gezogen wird. Geben wir endlich zu, dass es sich um ein in vielerlei Hinsicht menschliches und soziales Problem handelt. Deshalb bedarf es einer Beteiligung von allen. Auf Klimakonferenzen ziehen die Aktionen von sogenannten „radikalisierten“ Gruppen oft die Aufmerksamkeit auf sich. In Wirklichkeit füllen sie jedoch eine Lücke in der Gesellschaft als Ganzer, die einen gesunden „Druck“ ausüben müsste, denn es liegt an jeder Familie, zu bedenken, dass die Zukunft ihrer Kinder auf dem Spiel steht.
Andrea (Hindou Oumarou Ibrahim von den Mbororo (Tschad) auf der 26. Weltklimakonferenz in Glasgow im November 2021)
Ich freue mich, heute als indigene Frau hier zu sein, die Wald und Land als Heimat und nicht als Ware betrachtet. Wir indigenen Menschen wissen seit jeher: Unser Planet lebt. Der Boden ist ihre Haut. Wälder sind ihr Haar. Flüsse sind ihr Blut. Und heute ist die Erde krank, wahrscheinlich am Sterben.
Heute, bei dieser Weltklimakonferenz, bringen indigene Völker etwas Besonderes mit: unsere Lösung. Obwohl wir indigene Menschen nur 5 % der Weltbevölkerung ausmachen, schützen wir 80% der verbleibenden Biodiversität. Wir stehen Ihnen nicht als Opfer gegenüber. Nein. Wir sind die Klimachampions. Indigene Völker leben bereits klimaneutral. Daher komme ich mit einer sehr einfachen Botschaft hierher: Wir haben den Plan. Wir wissen was zu tun ist, also lassen Sie es uns auch tun. Das gilt für den Staat, aber auch für Unternehmen. Es hat keinen Wert, hier schöne Reden über die Entwaldung zu halten, wenn Sie zu Hause Konzernen erlauben, das Land der indigenen Menschen stehlen oder das Ökosystem zu zerstören. Wir müssen als Partner:innen zusammenarbeiten, wir sind keine Almosenempfänger:innen. Wir müssen Entscheidungen gemeinsam treffen!
Ruben (Überleitung zum Weitergehen):
“Wir haben den Plan. Wir wissen was zu tun ist, also lassen Sie es uns auch tun.”
Ja, es gibt einen Plan, es gibt die Chance zur Umkehr, zum Wandel.
Wir sind heute hier, weil wir daran glauben, weil wir aufstehen und protestieren wollen gegen das Weiter-so.
Wir sind heute hier, weil wir vorangehen wollen, nicht stehen bleiben.
weil wir laut und leise anschreien, anbeten, andenken wollen gegen die scheinbare Ausweglosigkeit.
Es gibt einen Aus-weg - es gibt einen Weg, daran denken wir, wenn wir nun unseren Weg in einer “Gehmeditation” in Stille weitergehen.
Anleitung zur Gehmeditation von Uta
Zweiter Moment des Innehaltens
Wir bilden einen Kreis, dabei singen wir (Liedblatt Nr. 02)
"Komm in den Kreis,
bring dein Licht, bring dein Sein,
bring deine Liebe,
komm herein, komm herein".
Gong ertönt
Eröffnung (Ruben): Wir alle sind Pilger und Fremde. So lasst uns innehalten an der Kreuzung der Wege und uns dem Ewigen zuwenden.
Schließen wir den Kreis und errichten einen Tempel im Wind; machen wir diesen beliebigen Ort zu einem Tempel.
Halten wir inne in der Zeit, schaffen wir eine Mitte in all der Finsternis um uns.
Schaffen wir eine Mitte in all dem Leiden der Schöpfung um uns,
und seien wir der Gegenwart gegenwärtig.
Jetzt ist die Zeit, um zu klagen, uns einzufühlen in das große Ganze des Lebens, und uns zum Handeln zu ermutigen.
Hören wir auf Gebete und Texte der religiösen Traditionen und auf Menschen, die unter den Folgen des Klimawandels leiden:
2.1. Klagen über Schmerz und Leid
Ruben: Hören wir auf die Klage der kenianischen Klimaaktivistin Elizabeth Wathuti
Eva:
“In den vergangenen Jahren sind unsere Regenzeiten ausgefallen. Unsere Flüsse versiegen, unsere Ernten fallen aus, Lagerhäuser stehen leer, unsere Tiere und Menschen sterben. Ich habe mit eigenen Augen drei kleine Kinder gesehen, die am Ufer eines ausgetrockneten Flusses weinten, nachdem sie mit ihrer Mutter 12 Meilen weit gelaufen waren, um Wasser zu finden.
Bitte öffnet eure Herzen. Wenn ihr euch Mitgefühl erlaubt, ist das Leid und die Ungerechtigkeit nur schwer zu ertragen. Afrikaner*innen südlich der Sahara sind für nur ein halbes Prozent der historischen Emissionen verantwortlich, die Kinder sind für nichts verantwortlich, aber sie tragen die Folgen.
Ich glaube an unsere menschliche Fähigkeit, mitfühlend zu sein, uns umeinander zu sorgen und gemeinsam zu handeln. Ich glaube an unsere Fähigkeit, das Richtige zu tun, wenn wir unsere Herzen öffnen."
Jens (Ryokan):
Wenn ich an die Leiden der Wesen
in dieser Welt denke, so wird Ihre Traurigkeit zu meiner.
Oh wäre meine Mönchsrobe weit genug, all die leidenden Menschen
in dieser fließenden Welt zu bergen
Nichts macht mich glücklicher als Amida Buddhas Gelübde
alle Wesen zu retten
Lied (Jens): Beds are burning (Julia Stone), Liedblatt Nr. 06
2.2. Schauen auf das Leben im weiten Horizont
Karl (Ich bin so frei, Karl):
ich Mensch, endlich frei,
frei gemacht, freigestrampelt, emanzipiert,
hochgeklettert auf der Leiter der Evolution,
hochgearbeitet die Stufen der Hochkultur
endlich frei
nicht mehr gegängelt von den Marionettenfäden der Instinkte
nicht mehr an gebunden an enge Biotope
endlich frei
durch die Sprache, die ich forme,
nicht mehr nur gen-programmiertes Grunzen und Piepen und Bellen
endlich frei
statt mich anzupassen an Hitze, Kälte, Klima und Umgebung,
mache ich passend, was nicht passt, ich heize oder kühle, ich baue und
betoniere, ich forme was mich umgibt, so wie´s mir passt
ich bin so frei
mit Hirn und Händen trete ich an zum Kampf gegen den Feind Natur,
hol raus was die Erde hergibt,
ebne was sich in den Weg stellt,
und wohin mich meine Füße nicht tragen,
dahin lasse ich mich fahren und fliegen – von Maschinen gesteuert, von Energie befeuert,
endlich frei
nicht so schnell wie eine Gazelle? – egal: ich erfinde die Schnelle
nicht so feinsinnig wie ein Hund? - egal: Geschmacksverstärker helfen meinen
Sinnen auf die Sprünge
nicht so scharfsichtig wie ein Adler? - egal: ich ersinne Teleskop und Mikroskop
kein Gehör wie die Fledermaus? -: leise, laut? Egal, Es lässt sich alles regeln.
Endlich frei
endlich aufrecht der Gang, frei von den Fesseln der Natur
die Umwelt beherrscht, die Erde erobert, Fahnen aufgepflanzt und Zäune
gesetzt: Und jetzt: Alles meins – ich bin so frei.
Und jetzt: in der Freiheit - verloren, in der Freiheit - gefangen, gefesselt
vom „meins".
Geknebelt vom Mehrhabenmüssen,
Mehrverdienenmüssen, Mehrerleben müssen.
Nicht die Freiheit die ich meine, nicht die Freiheit, die ich ersehne.
Traurige Freiheit: hier ich – und da die Welt.
So strecke ich der Welt meine Hände aus.
Nicht die Fäuste.
Will sie fühlen und spüren und genießen.
Nicht mehr kämpfen.
Nicht gegen die Natur, sondern mit ihr.
Nicht gegen meine Natur, sondern im Einklang mit mir.
Ich ahne: so wäre ich frei, wahrhaft frei.
Frei im Verbundensein, frei im Lebendigsein,
frei in der Hinwendung zu allem Sein.
Ich bin da,
In der Welt und mit der Welt und für die Welt.
Ich bin so frei.
Susan: (Joanna Macy verbunden mit der Übung von Thich Nhat Hanh)
In Ehrfurcht angesichts der Befähigung des Geistes zu Verblendung und Entfremdung, durch die ich so eindringlich zu Verstehen und Freude aufgerufen werde, verneige ich mich vor euch und berühre die Erde.
Lied: Die Erde ist des Herrn, geliehen ist der Stern, auf dem wir leben, Liedblatt Nr. 07
2.3. Ermutigen zum Handeln und Hoffen
Uta (Paul Hawken, Umweltschützer):
Wenn die Menschheit ein einziger Organismus(ist), können wir uns eine kollektive Bewegung vorstellen, die diesen Organismus schützt und in die Lage versetzt, mit Bedrohungen fertig zu werden. Diese Fähigkeit zuro Reaktion würde wie ein Immunsystem funktionieren, das unabhängig vom Willen des Einzelnen agiert. Die gemeinsame Aktivität von Hunderttausenden gemeinnütziger Organisationen kann als Immunsystem der Menschheit betrachtet werden, das uns vor schädlichen Einflüssen wie Korruption, wirtschaftlicher Fehlentwicklung und ökologischem Zerfall beschützt.
Ruben (Kurt Marti)
Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn erst nach dem Tod Gerechtigkeit käme,
erst dann die Herrschaft der Herren,
erst dann die Knechtschaft der Knechte
vergessen wäre für immer!
Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn hier auf der Erde stets alles so bliebe,
wenn hier die Herrschaft der Herren,
wenn hier die Knechtschaft der Knechte
so weiterginge wie immer.
Doch ist der Befreier vom Tod auferstanden,
ist schon auferstanden und ruft uns jetzt alle
zur Auferstehung auf Erden,
zum Aufstand gegen die Herren,
die mit dem Tod uns regieren!
Ruben: Einladung zum Weitergehen
Wir stehen heute hier, weil wir aus der Hoffnung der Auferstehung leben, aller Ohnmacht, aller Ausweglosigkeit zum Trotz.
Wir stehen hier, weil wir aufgestanden sind gegen die Herren, die mit dem Tod uns regieren.
Und wir stehen nicht nur hier, wir gehen weiter, wir lassen uns nicht stoppen,
wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen.
Wir gehen weiter auf unserem Protestmarsch für mehr Klimagerechtigkeit.
Und wenn wir jetzt weitergehen, singen wir gemeinsam:
Lied: Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schritte tun, Liedblatt Nr. 10
Dritter Moment des Innehaltens
wir bilden einen Kreis, dabei singen wir: (Liedblatt Nr. 02)
"Komm in den Kreis,
bring dein Licht, bring dein Sein,
bring deine Liebe,
komm herein, komm herein".
Gong ertönt
Eröffnung (Ruben): Wir alle sind Pilger und Fremde. So lasst uns innehalten an der Kreuzung der Wege und uns dem Ewigen zuwenden.
Schließen wir den Kreis und errichten einen Tempel im Wind; machen wir diesen beliebigen Ort zu einem Tempel.
Halten wir inne in der Zeit, schaffen wir eine Mitte in all der Finsternis um uns.
Schaffen wir eine Mitte in all dem Leiden der Schöpfung um uns,
Und seien wir der Gegenwart gegenwärtig.
Jetzt ist die Zeit, um zu klagen, uns einzufühlen in das große Ganze des Lebens, und uns zum Handeln zu ermutigen.
Hören wir auf Gebete und Texte der religiösen Traditionen und auf Menschen, die unter dem Klimawandel leiden.
3.1. Klagen über Schmerz und Leid
Uta (David Loy Ökodharma):
Die seltsame Ironie besteht darin, dass wir so besessen davon sind, unseren eigentlichen Schatz – eine gedeihende Biosphäre mit gesunden Wäldern und Böden, Seen und Ozeanen voller Wasserlebewesen, einer unverschmutzten Atmosphäre – auszubeuten und zu missbrauchen, nur um etwas zu maximieren, dass an sich keinerlei Wert hat, nämliche digitale Ziffern und Bankkonten.
Karl (Bibel, Lukas 18 - Eine Witwe kämpft um das Recht):
1 Er (Jesus) gab ihnen einen Vergleich dafür, wie notwendig es ist, allezeit zu beten und nicht müde zu werden. 2 Er sagte: »In einer Stadt lebte ein Richter, der weder °Gott °fürchtete noch einen Menschen achtete. 3 Auch eine Witwe lebte in jener Stadt; die kam immer wieder zu ihm und sagte: ›Verschaffe mir °Recht gegenüber meinem Gegner‹ ! 4 Eine Zeit lang wollte der Richter nicht. Dann aber sagte er sich: ›Wenn ich auch Gott nicht fürchte und keinen Menschen achte, 5 werde ich doch dieser Witwe Recht verschaffen, weil sie mich belästigt; sonst kommt sie noch am Ende und schlägt mich ins Gesicht.‹ 6 Da sagte °er mit großer Autorität: »Hört, was der ungerechte Richter sagt. 7 Aber Gott sollte den Auserwählten, die Tag und Nacht zu Gott schreien, kein Recht schaffen und für sie keinen langen Atem haben? 8 Ich sage euch: Gott wird ihnen Recht schaffen in kurzer Zeit! Wird der °Mensch nun bei seinem Kommen °Glaubenstreue finden auf der Erde?«
Eva (Die ugandischen Klimaaktivistin und UN-Sonderbotschafterin Vanessa Nakate):
Wir sehen, wie Sie phantasievolle Reden halten, wir hören von neuen Versprechen und Zusagen, aber wir ertrinken in Versprechen. Versprechen werden das Leiden der Menschen nicht stoppen, Versprechen werden die Erwärmung des Planeten nicht aufhalten. Die Menschheit wird nicht durch Versprechen gerettet. Es ist schwer, Wirtschafts- und Finanzführern zu glauben, die bisher keine Ergebnisse geliefert haben. Sie sind ihren Versprechen nicht treu geblieben. Sie waren bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen nicht ehrlich.
Lied: Da wohnt ein Sehnen tief in uns nach dir, o Gott, dich zu sehn, dir nah zu sein, Liedblatt Nr. 13
3.2. Schauen auf das Leben im weiten Horizont
Andrea (Worte von Nina Gualinga und Helena Gualinga, Kichwa von den Sarayaku im ecuadorischen Amazon):
Unser Land lebt. Alles von den Steinen bis zu den Bäumen, den kleinen Tieren, der Anakonda, dem Jaguar, den Materialien, aus denen wir unsere Häuser bauen, dem Fluss. Alles ist lebendig. Und wenn unsere Verwandten und Ältesten sterben, sterben sie nicht. Sie gehen über, sie verwandeln sich und kehren zurück zu den Flüssen, zu den Lagunen, zu den großen Bäumen. Der Wald ist also unsere Familie. Es ist unser Zuhause. Dort leben weiterhin unsere Verwandten. Wenn ihr also den Wald tötet, tötet ihr unsere Familie, unsere Großeltern, unsere Urgroßeltern. (...)
In einem historischen Referendum hat Ecuador gerade beschlossen, keine fossilen Brennstoffe aus dem Amazonas-Regenwald von Yasuni zu fördern. Dies stellt einen unglaublich wichtigen Präzedenzfall für das Land dar, denn es zeigt, dass wir für einen Übergang bereit sind, obwohl wir ein Land sind, das als vom Öl abhängig gilt. Dies ist ein Moment für die Welt, zu lernen und in die Fußstapfen von Ecuador zu treten. Wir haben beschlossen, aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen auszusteigen, dann könnt ihr das auch tun!
3.3. Ermutigen zum Handeln und Hoffen
Charlotte (Dorothee Sölle):
Ich glaube nicht, dass das ganz kaputtzukriegen ist in den Menschen, das von Gott in uns, wie wir es im Christentum nennen. Natürlich kann ich das zumüllen, dasvon Gott in mir, das ist gar nicht schwierig, das machen wir täglich, aber man darf eigentlich nie vergessen, dass das in jedem Menschen drinsteckt, jüdisch gesagt die UMKEHR, die Teschuwa, die ist in jedem Moment möglich.
Meine Hoffnung heißt teschuwa, die Umkehr, Sie wendet sich um und geht. … einen Fuß vor den anderen setzend, in die andere Richtung. Sie tut sich zusammen mit vielen. Es gibt kein Rathaus,… keine Schule, keine Autoindustrie und keinen chemischen Konzern, … kein Fernsehprogramm, in dem die Umkehr nicht möglich wäre. Meine Hoffnung heißt teschuwa, die Umkehr. —
Bernhard (Franz v. Assisi):
Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.
Ruben (Überleitung zum Weitergehen).
Ja, das wollen wir: Wahrheit sagen, wo Irrtum ist,
Hoffnung wecken, wo Verzweiflung quält,
Werkzeug sein auf dem gewaltfreien Weg von “Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.”
Es ist ein Weg, der uns immer wieder an die Grenzen bringt, auch uns zweifeln und ohnmächtig erscheinen lässt.
Aber gemeinsam können wir weitergehen, gemeinsam spüren wir die Kraft, aus der wir leben und hoffen; gemeinsam können wir mit Gottes Hilfe Grenzen weiten und überwinden. Das wollen wir nun singen:
Lied: Meine engen Grenzen (E. Eckert), Liedblatt Nr. 14
Schluss/Sendung Segnung (Andrea und Uta)
Uta
kurze angeleitete liebende Güte Meditation (für den Abschluss vor dem Segen)
Ruben (von Martin Luther King Jr.)
Wenn unsere Tage verdunkelt sind
und unsere Nächte finsterer als tausend Mitternächte,
so wollen wir stets daran denken,
dass es in der Welt die große segnende Kraft Gottes gibt.
Gott kann Wege aus der Ausweglosigkeit weisen.
Gott will das dunkle Gestern in ein helles Morgen verwandeln
Zuletzt in den leuchtenden Morgen der Ewigkeit.
Lied: Bewahre uns Gott, behüte uns Gott singen? (s. Liedblatt Nr. 15)
Andrea: Wir gehen jetzt auseinander, jede*r geht die eigenen Wege, und doch bleiben wir verbunden auf dem gemeinsamen Weg für Klimagerechtigkeit und Schöpfungsverantwortung. Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass Umkehr und Veränderung möglich sind und dass wir mit unseren Schritten dazu beitragen können. Aber wir wissen auch, dass diese Aufgabe unsere Kraft übersteigt, und wir auf Trost, Mut und Kraft der Heiligen Geistkraft angewiesen bleiben. Ein Zeichen, dass diese Kraft in uns und durch uns wirkt, ist in der christlichen Tradition der Segen.
Ruben: Wenn ihr mögt, empfangt jetzt, bevor wir auseinandergehen, den Segen Gottes, wie ihn die jüdischer Tradition von Aaron, dem Bruder des Mose, überliefert hat:
Ruben: Der Herr segne dich und behüte dich -
Andrea: begleite dich und lasse dir Raum.
Ruben: Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig –
Andrea: sie sieht dich an und du darfst hinschauen.
Ruben: Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden
Andrea: – Frieden zu sein, in Frieden zu bleiben, Frieden weiterzugeben.
Amen
(evtl. Lied: Verleih uns Frieden gnädiglich …)