Weil unser Gott auf Seiten der Armen und Unterdrückten steht, haben auch wir Christ*innen den Auftrag das zu tun. In der Klimakrise bedeutet das, uns auf die Seite derer zu stellen, die unter ihren Folgen schon heute leiden und dafür zu kämpfen, dass wir die Folgen noch in den Griff bekommen. In der Bibel wird immer wieder Gerechtigkeit gefordert, ein gutes, erfülltes Leben für alle, gerade auch für die, die nicht die Macht haben, das selbst für sich durchzusetzen.
Gott auf Seiten der Unterdrückten
Gott sieht gerade auch diejenigen, die unter den Mächtigen leiden, die unterdrückt werden, das zieht sich durch die gesamte Bibel, von der ältesten Tradition (Auszug aus Ägypten) bis hin zu Jesus Christus:
- Gott führt die vom Pharao unterdrückten und versklavten Israelit*innen aus Ägypten und rettet sie.
- Die Prophet*innen reden immer wieder den Reichen und Mächtigen ins Gewissen und verkünden, dass Gott sieht, was sie den Armen und Unterdrückten antun. Sie ergreifen Partei für sie – auch wenn sie dadurch selbst große Nachteile erleiden müssen.
- Jesus steht von Anfang an auf Seiten der Menschen, die nicht anerkannt sind.
- Maria im sog. Magnificat vor der Geburt Jesu: "Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen." (Lk 1, 52)
- Jesus ergreift auch später immer wieder Partei für Menschen, die im Abseits stehen. Er sieht sie und verändert damit ihr Leben. Diese Haltung, dieser Einsatz für nicht privilegierte Menschen, bringt ihn letzten Endes ans Kreuz, weil er damit die Mächtigen herausfordert.
Gewissensfrage
Bonhoeffer unterteilt das Gewissen in das natürliche und das befreite Gewissen. Nach Bonhoeffer ist das natürliche Gewissen (also das Gewissen, das im Menschen angelegt ist) ängstlich und will sich selbst vor sich und anderen rechtfertigen. Es hat Angst Regeln und Normen zu übertreten. Dieses natürliche Gewissen wird vom in Jesus Christus befreiten Gewissen überwunden. Der Mensch erkennt, dass er auf Gottes Gnade angewiesen ist (Rechtfertigungsglaube). Im befreiten Gewissen ist der Mensch offen für den Nächsten und seine konkrete Not, er übernimmt Verantwortung und trägt um des Nächsten willen auch Schuld.
Papst Franziskus: Der Schrei der Erde und der Schrei der Armen sind engstens miteinander verbunden und ist ein Klageschrei, der zum Himmel steigt (vgl. Umweltenzyklika „Laudato si“, Absatz 49).
Solidarität von Christ*innen weltweit
Es ist eine Bereicherung, dass Christ*innen weltweit miteinander verbunden sind, sich austauschen, miteinander fühlen, gegenseitig unterstützen, bereichern, füreinander beten - ein Leib und viele Glieder (1. Kor 12)
Weltweite Solidarität ist unbedingt notwendig in der Klimakrise. Mitmenschen in Ländern des globalen Südens leiden jetzt schon (bei 1,2 Grad globaler Erwärmung) unter den Folgen der Klimakrise. Unsere Aufgabe ist es, uns gemeinsam mit ihnen dafür einzusetzen, dass die Folgen nicht immer schlimmer werden. Europa und USA haben historisch betrachtet die Hauptverantwortung für die Klimakrise (durch einen Großteil der Emissionen), der gesamte Kontinent Afrika ist nur für weniger als 4% der Emissionen verantwortlich, bekommt aber jetzt schon durch Dürren und Fluten die Folgen der Klimakrise viel mehr zu spüren als wir.
Bei der ökumenischen Weltversammlung in Seoul, 1990 wurde die Wichtigkeit von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung betont und ein beständiger Prozess angestoßen (sog. Konziliarer Prozess). Unsere Mitchrist*innen weltweit, die unter den Folgen der Klimakrise leiden und auch alle, die Angst vor den Folgen der Klimakrise haben, sind unsere Nächsten und mit einem befreiten Gewissen können wir offen für ihre Not sein und Verantwortung übernehmen, uns also mit allen unseren Mitteln dafür einsetzen, dass die Klimapolitik sich ändert.
NEIN und AMEN
Unser Glaube lässt uns hoffen, dass eine solidarische und gerechte Welt möglich ist. Deshalb beziehen wir Stellung:
- Wir sagen ein klares NEIN zur Zerstörung der Lebensgrundlagen. Wir sagen ein klares JA zum gerechten Ausstieg aus Öl, Gas & Kohle bis spätestens 2030.
- Wir bekennen, dass die Glaubwürdigkeit unserer Kirchen auf dem Spiel steht, wenn wir uns angesichts der Klimakrise ausweichend oder untätig verhalten.
- Wir appellieren an unsere Kirchen, sich an die Tradition der biblischen Propheten zu erinnern und daher noch wirksamer und „störender“ für Klimagerechtigkeit aktiv zu werden.
- Wir appellieren an die politisch Verantwortlichen unseres Landes, die dafür dringend notwendigen Entscheidungen umgehend zu treffen und umzusetzen, um die Nutzung fossiler Rohstoffe bis 2030 zu beenden.
- Wir erkennen unsere Mitverantwortung an, ein ungerechtes und ausbeuterisches Wirtschaftssystem zu beenden, das schon heute Millionen Menschen hier und im Globalen Süden ins Elend und in die Flucht treibt.
- Wir solidarisieren uns mit den Opfern der Klimakrise – weltweit und hier bei uns.
- Wir solidarisieren uns mit denen, die wegen ihres Klimaaktivismus bedroht, gefangen genommen oder getötet werden.
- Wir fordern die politisch Verantwortlichen unseres Landes auf, Klimapolitik sozial gerecht zu gestalten und diejenigen zu unterstützen, die arm sind und damit am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben – hier und weltweit - und die Reichen hierfür angemessen in die Pflicht zu nehmen.
- Wir glauben an die Schönheit und Würde jedes Lebens, das uns geschenkt ist, und treten ein für das Recht auf Schutz und Schadensersatz der schon heute von der Klimakrise betroffenen Menschen sowie das Recht unserer Kinder auf eine lebenswerte Zukunft.
- Wir handeln aus Liebe zum Leben gewaltfrei im Sinne Jesu.
- Deshalb entscheiden wir Kirchenleute uns unter anderem für den zivilen Ungehorsam.
- Wir ermutigen alle, solange nicht aufzugeben und sich auch für unbequeme Wege des Widerstands zu entscheiden, bis entscheidende politische Schritte für eine lebenswerte Zukunft umgesetzt werden.
Erstunterzeichner:innen:
Andrea Rückert, evang. Pfarrerin
Charlotte Horn, evang. Pfarrerin
Sonja Manderbach, Kirchenmusikerin
Dr. Ludger Frieling, Arzt am Katholischen St.-Johannes-Hospital Dortmund
Dr. Gudula Frieling, katholische Theologin
Maria Heß, Religionspädagogin
Judith Samson, Catholic-Worker-Gemeinschaft
Sabine Allmenröder, Referentin für gesellschaftliche Verantwortung im Evangelischen Dekanat Bergstraße
Karl Mehl, evang. Pfarrer
Maiken Winter, Biologin und Frau eines evang. Pfarrers
Sarah Köhler, Ökumenische Arbeitsstelle Anthropozän
Fabian Neuhaus, Theologiestudent
Bernhard Grunau, Führungskraft in den Einrichtungen der Arenberger Dominikanerinnen
Anna Böck, evang. Pfarrerin
Lisa Görnitz, evang. Pfarrerin