Theologische Argumente

Weil unser Gott auf Seiten der Armen und Unterdrückten steht, haben auch wir Christ*innen den Auftrag das zu tun. In der Klimakrise bedeutet das, uns auf die Seite derer zu stellen, die unter ihren Folgen schon heute leiden und dafür zu kämpfen, dass wir die Folgen noch in den Griff bekommen. In der Bibel wird immer wieder Gerechtigkeit gefordert, ein gutes, erfülltes Leben für alle, gerade auch für die, die nicht die Macht haben, das selbst für sich durchzusetzen. 

Gott auf Seiten der Unterdrückten

Jahreslosung 2023: Du bist Gott, du siehst mich. (Gen 16,13) 

Dies ist ein Zitat von Hagar, Magd von Abraham und Sarah, als sie vor den Repressionen von Sarah in die Wüste flieht.

Gott sieht gerade auch diejenigen, die unter den Mächtigen leiden, die unterdrückt werden, das zieht sich durch die gesamte Bibel, von der ältesten Tradition (Auszug aus Ägypten) bis hin zu Jesus Christus: 

  • Gott führt die vom Pharao unterdrückten und versklavten Israelit*innen aus Ägypten und rettet sie. 
  • Die Prophet*innen reden immer wieder den Reichen und Mächtigen ins Gewissen und verkünden, dass Gott sieht, was sie den Armen und Unterdrückten antun. Sie ergreifen Partei für sie – auch wenn sie dadurch selbst große Nachteile erleiden müssen. 
  • Jesus steht von Anfang an auf Seiten der Menschen, die nicht anerkannt sind.
  • Maria im sog. Magnificat vor der Geburt Jesu: "Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen." (Lk 1, 52)
  • Jesus ergreift auch später immer wieder Partei für Menschen, die im Abseits stehen. Er sieht sie und verändert damit ihr Leben. Diese Haltung, dieser Einsatz für nicht privilegierte Menschen, bringt ihn letzten Endes ans Kreuz, weil er damit die Mächtigen herausfordert. 

 

Gewissensfrage

Bonhoeffer unterteilt das Gewissen in das natürliche und das befreite Gewissen. Nach Bonhoeffer ist das natürliche Gewissen (also das Gewissen, das im Menschen angelegt ist) ängstlich und will sich selbst vor sich und anderen rechtfertigen. Es hat Angst Regeln und Normen zu übertreten. Dieses natürliche Gewissen wird vom in Jesus Christus befreiten Gewissen überwunden. Der Mensch erkennt, dass er auf Gottes Gnade angewiesen ist (Rechtfertigungsglaube). Im befreiten Gewissen ist der Mensch offen für den Nächsten und seine konkrete Not, er übernimmt Verantwortung und trägt um des Nächsten willen auch Schuld.

Dringlichkeit der Klimakrise

Konsens in der Klimawissenschaft ist, dass wir nicht mehr viel Zeit haben zu handeln und dass wir jetzt sofort drastische Maßnahmen ergreifen müssen, um das Schlimmste zu verhindern. 

Klimakipppunkte: Wir gehen bei der Klimakrise nicht eine Treppe hinunter und können jederzeit umkehren. Wir befinden uns eher auf einem steilen Hang, auf dem wir versuchen eine rollende Kugel aufzuhalten. Wenn wir diese Kugel nicht rechtzeitig erwischen, dann können wir sie nicht mehr aufhalten. Dann werden durch die Kipppunkte Domino-Effekte in Gang gesetzt, die sich gegenseitig verstärken, so dass wir in eine Heißzeit abrutschen, die für die nächsten 10.000 Jahre nicht verändert werden kann. 

Mit den Worten von UN-Generalsekretär Antonio Guterres (November 22 bei der Eröffnung des Weltklimagipfels in Ägypten): „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal. Wir kämpfen den Kampf unseres Lebens – und sind dabei zu verlieren.“ Vor allem die Menschen in Ländern des Globalen Südens leiden bereits jetzt massiv unter der Klimakatastrophe. 

Papst Franziskus: Der Schrei der Erde und der Schrei der Armen sind engstens miteinander verbunden und ist ein Klageschrei, der zum Himmel steigt (vgl. Umweltenzyklika „Laudato si“, Absatz 49). 

Solidarität von Christ*innen weltweit

Es ist eine Bereicherung, dass Christ*innen weltweit miteinander verbunden sind, sich austauschen, miteinander fühlen, gegenseitig unterstützen, bereichern, füreinander beten - ein Leib und viele Glieder (1. Kor 12)  

Weltweite Solidarität ist unbedingt notwendig in der Klimakrise. Mitmenschen in Ländern des globalen Südens leiden jetzt schon (bei 1,2 Grad globaler Erwärmung) unter den Folgen der Klimakrise. Unsere Aufgabe ist es, uns gemeinsam mit ihnen dafür einzusetzen, dass die Folgen nicht immer schlimmer werden. Europa und USA haben historisch betrachtet die Hauptverantwortung für die Klimakrise (durch einen Großteil der Emissionen), der gesamte Kontinent Afrika ist nur für weniger als 4% der Emissionen verantwortlich, bekommt aber jetzt schon durch Dürren und Fluten die Folgen der Klimakrise viel mehr zu spüren als wir. 

Bei der ökumenischen Weltversammlung in Seoul, 1990 wurde die Wichtigkeit von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung betont und ein beständiger Prozess angestoßen (sog. Konziliarer Prozess). Unsere Mitchrist*innen weltweit, die unter den Folgen der Klimakrise leiden und auch alle, die Angst vor den Folgen der Klimakrise haben, sind unsere Nächsten und mit einem befreiten Gewissen können wir offen für ihre Not sein und Verantwortung übernehmen, uns also mit allen unseren Mitteln dafür einsetzen, dass die Klimapolitik sich ändert.